03.08.14

This Very Ground - Eine Alternative zu M&T

This Very Ground Skirmish-Regelwerk für den French Indian War
Während meine Kücken im Urlaub in Kärnten die Welt vom Pferderücken betrachteten, hatte ich auch reichlich Zeit mich einigen Regelwerken zu widmen, die schon seit längerer Zeit bei mir im Regal liegen. Eins davon war "This Very Ground" von Keith Stine. Verlegt wird das Regelsystem von Iron Ivan Games.

This Very Ground ist ein Skirmish Regelsystem und spielt im French Indian War, genauer gesagt lassen sich damit kleine Gefechte - sogenannte Skirmish - im Maßstab 1:1 nachspielen. Das 36 S/W-Seiten umfassende Regelheft - von Buch läßt sich hier nicht wirklich sprechen - kommt ohne großartige Aufmachung aus. Bei Regelsystemen aus dem Hause Ivan Games üblich, wird auf das Layout und die Aufmachung eher weniger Wert gelegt. Aber die Regeln kommen auch gut ohne Schnickschnack aus. Sie sind zwar schlicht, aber kompakt und vollkommen ausreichend dargestellt. Dafür kostet This Very Ground auch nur knapp die Hälfte von M&T.


Jede Figur besitzt die drei Eigenschaften Marksmannship, Valor und Courage. Marksmannship zeigt die Schußqualität an, Valor die Nahkampfstärke und Courage ist unter anderem für den Moraltest (Courage Check) wichtig. This Very Ground wird mit D10-Würfels (zehnseitigen) gespielt. Alle Aktionen werden auf den jeweiligen Wert oder niedriger ausgewürfelt. So hat zb. ein Ranger mit M6 eine 60 prozentige Chance zu treffen. Ich persönlich finde die Verwendung von D10 gegenüber D6 recht gut.

Der Zug
Hier ist gleich ein wesentlicher Unterschied zu M&T. Bei M&T erfolgt die Aktivierung der Einheiten über Karten und ist naturgemäß einer gewissen Zufälligkeit ausgesetzt. Bei This Very Ground gibt es Spielzüge, bei denen alle Einheiten am Tisch (also auch die gegnerischen) aktiviert werden (können). Hierfür wird jeweils vor einem neuen Turn die Initiative mittels eines D10-Wurfes, bei dem der höchste Courage-Wert einer Partei addiert wird, ausgewürfelt. Hier kommen wir sogleich zu einer taktisch interessanten Möglichkeit der Regeln. Der Gewinner der Initiative hat die Möglichkeit, nicht nur eine seiner eigenen Einheiten zu aktivieren, sondern auch eine gegnerische. Dies ist sehr ungewöhnlich, aber auch spannend. Denn, eine Unit, die aktivert wurde und bei dieser Aktivierung nichts tut, kann im Laufe des Zuges nichts mehr tun und verliert seine Aktivierungsphasen: Bewegen, Schießen, Nahkampf.
Die Phasen Bewegen und Schießen können in unterschiedlicher Reihenfolge ausgeführt werden (also zuerst Schießen und dann Marschieren, oder zuerst Marschieren und dann Schießen). Der Nahkampf ist jedoch immer die letzte Phase in einer Einheitenaktivierung. Nach der ersten Aktivierung in einem Zug erfolgen die restlichen Einheitenaktivierungen alternierend.
Zusätzlich zu diesen drei Aktivierungsphasen gibt es noch "Opportunity Fire". Bei dieser Reaktionsaktivierung kann eine Einheit, wenn sich eine gegnerische Unit durch Marschieren oder Doppelte Anzahl der Bewegung in ihrem LOS befindet, auf diese Einheit schießen (jedoch mit reduzierter Marksmannship).

Bewegen
Wie bei Tabletop-Games üblich, ist die Bewegung vom Gelände beeinflußt. Unterschiedliche Einheitentypen (Reguläre, Skirmisher wie Indianer oder Trapper) haben unterschiedliche Modifierer beim Bewegen durch die unterschiedlichen Geländetypen. Davon abgesehen, gibt es vier unterschiedliche Bewegungsarten:

Hold: Hierbei bewegt sich eine Einheit nicht. Es dürfen sich jedoch einzelne Figuren innerhalb der Einheit maximal 2 Zoll bewegen um Formationsanpassungen durchzuführen. Was mir noch nicht klar ist - vielleicht steht hier etwas in den FAQ bzw. Erratas in der Yahoo Group - wieviele Figuren einer Einheit diese 2 Zoll Bewegung ausführen dürfen. Denn eine Formed Unit (die Einheitenform der regulären europäischen Truppen) können ein Volley Fire ausführen, wenn sie sich nicht bewegen. Wenn sich jedoch über Hold immer 2 Zoll Bewegung haben, würde dies den Sinn verlieren.

Displace: Einheiten, die ihre Ausrichtung wechseln wollen (zb. bei Formed oder Loose Formationen) können dies hier tun. Dabei ist eine Bewegung von 3 Zoll erlaubt. Die gesamte Einheit muss diese Bewegung ausführen.

March: Einheiten marschieren 6 Zoll und können danach noch immer feuern.Double Time: Die Einheit läuft, und das mit bis zu 9 Zoll. Einheiten, die Double Time verwenden, können in dieser Aktivierungsphase jedoch nichts mehr tun.

Ein wichtiger Aspekt bei der Bewegung ist der Command Radius. Figuren einer Einheit müssen sich während der Bewegung und am Ende dieser immer innerhalb des Command Radius ihres Einheitenführers befinden. Der Command Radius ist der Courage-Wert des Anführers der Einheit (zb. ein Unteroffizier). Befindet sich eine Figur einmal ausserhalb dieses Radius muss sie die nächste Aktiverung hierfür verwenden, wieder innerhalb des Radius zu gelangen - bis dahin kann die Figur nichts anderes tun.

Schießen
Zum Eruieren, ob eine Einheit auf eine gegnerische Truppe schießen kann, wird zuerst überprüft ob eine direkte LOS zwischen den Einheiten besteht. Danach wird gegenüber der Waffenrange (zb. Musketen schießen 15 Zoll) ausgetestet, ob man auf den Gegner schießen kann. Ist dem so, würfelt man für jede Figur einen D10 und checkt gegen M ob man trifft. Jeder Treffer erzielt jedoch automatisch keine Wunde. Dafür muss noch gegen den Wound (W)-Wert der jeweiligen Waffe gewürfelt werden (zb. Muskete hat 8). Würfelt man exakt oder weniger als den Wundenwert wird eine Wunde erzielt.
Beim Schießen wartet This Very Ground mit sehr innovativen Möglichkeiten auf.  Es gibt nämlich bei This Very Ground unterschiedliche Feuer-Arten. Vorher sei aber noch erwähnt, dass es für jede Art des Feuers, für die man sich entscheidet, man eine unterschiedliche Anzahl an Smoke Counters bekommt. Hat eine Einheit mehr als drei dieser Smoke Counters (zb. Wattebälle) kann diese Einheit nicht mehr schießen. Um einen Smoke Counter wieder wegzubekommen, muss eine Einheit aktiviert werden und darf in dieser Aktivierungsphase nicht schießen und sich nicht weiter als 6 Zoll bewegen.

Volley: Um einen Volley anzubringen müssen alle Waffen einer Einheit geladen sein und die Einheit darf sich in dieser Aktivierungsphase nicht bewegt haben. Ein Volley verursacht 4! Smoke Counters. Nur bestimmte Formationen wie Formed können einen Volley abfeuern. Eine Einheit, die durch ein Volley-Feuer beschossen wird, bekommt einen -2 Moral Modifier. Jedoch die vier Smoke Marker zeigen schon, dass man hier sehr sorgfälltig damit umgehen muss. Sehr oft wird man in einem Spiel nicht zum Abfeuern eines Volleys kommen, wenn man bedenkt wie lange man benötigt um diese vier Marker wieder wegzubekommen.

Fire!: Bei dieser Feuerart schießt maximal die Hälfte der Einheit. Dies verursacht zwei Smoke Marker und einen -1 Moral Modifier beim Gegner. Mit dieser Feuerart kann in der Regel eine Einheit zweimal feuern, bevor sie nachladen muss.

Fire at Will!:Bei dieser Art des Feuers schießen nur bis zu drei Mann einer Einheit, bzw. nicht mehr als die Hälfte einer Einheit. Diese Einheit verursacht einen Smoke Counter, aber nur, wenn die Einheit noch keinen Marker bisher hat. Ist bereits ein Marker vorhanden, wird kein weiterer Marker gesetzt. Somit kann eine Einheit mit dieser Feuerart ein Dauerfeuer stellen.

Diese unterschiedlichen Arten des Feuers bringen eine zusätzliche Komponente ins Spiel. Es zwingt den Spieler abzuwägen, wann er welche Feuerart nimmt und wann er Risiko nehmen kann (wenn er die entsprechende Einheit und Formation zur Verfügung hat) und zb. einen Volley anbringen will oder kann.

Jedesmal, wenn eine Einheit beschossen wird - sogar, wenn dabei keine Verluste verursacht werden - muss die Unit einen Courage-Test vollziehen. Gelingt der Moraltest nicht, kann eine Einheit in Unordnung geraten, zurück fallen oder im Schlimmsten Fall sogar flüchten. Das zeigt, wie wichtig das Schießen sein kann, denn auch wenn man keine Verluste verursacht, zwingt man den Gegner zum Würfeln und wir wissen alle, dass es immer sein kann, dass man einen Wurf versemmelt. Dadurch wird auch die Oppoortunity Fire-Option so interessant, da man durch diese Freie Aktivierung die Pläne des Gegners toll durchkreuzen kann.
Wie immer gibt es unterschiedliche Modifier wie Deckung oder Verluste, die beim Testen der Moral einwirken. Wichtig ist noch, der Moral Check wird immer gegen den höchsten Courage-Wert einer Einheit, in der Regel des Anführers der Einheit, gecheckt.

Nahkampf
Beim Nahkampf müssen sowohl die angreifende Einheit als auch die angegriffene Einheit vorher einen Moral Test machen, ob sie überhaupt in den Nahkampf kommen. Mißlingt der angreifenden Unit ihr Test, wird nicht angegriffen, die Einheit darf jedoch in diesem Zug nichts mehr tun. Geht der Test bei der angegriffenen Einheit schief zieht sich die Einheit zurück. Beim Nahkampf werden die Figuren der beiden Einheiten Base to Base aufgestellt. Welche Miniaturen im Nahkampf zuerst zuschlagen können, wird der Melee Initiativ-Wert ermittelt. Hierfür wird zu einem D10 der Melee-Initiativ-Wert der jeweils eingesetzten Waffe hinzugefügt. Die jeweiligen Werte der Waffen findet man im Regelheft. Die Figuren mit den jeweils höchsten Initiativwerten, danach in absteigender Reihenfolge, beginnen den Nahkampf. Die Figur mit dem höchsten Wert beginnt. Haben beide Figuren den selben Wert, würfeln die beiden Spieler gleichzeitig. Danach wird das Ergebnis des Kampfes pro Einzelduell ausgewertet. Wird eine Wunde erzielt, wird diese Figur entfernt. Dies geschieht solange, bis eine Einheit keine Figuren mehr hat. Jawohl, ein Nahkampf ist wirklich blutig und endgültig.

Formationen
Es gibt im System drei unterschiedliche Formationen, die aber nicht allen Einheiten gleichzeitig zur Verfügung stehen. Kann eine Unit sich in mehr als eine Formation bewegen, benötigt sie eine ganze Aktivierung um ihre Formation zu wechseln.

Formed - Diese von den europäischen Truppen bevorzugte Formationsart hat einen flach zur Front verlaufenden Schuß-Winkel und ist in der Regel zwei Reihen tief. Die Figuren werden Base-to-Base aufgestellt. Formed Formationen können auch in Kolonne plaziert werden um zb. einfacher auf Straßen oder engen Passagen zu marschieren. Neben der linearen Ausrichtung besteht auch die Möglichkeit einer "L" oder "V" Aufstellung. Der Schuß-Winkel bei diesen Aufstellungen ist ebenfalls entlang der Linien. Formed Einheiten dürfen ihr Feuer auf unterschiedliche Ziele aufteilen. Jedoch kann bei dieser Formation eine Einheit im Nahkampf in der Flanke angegriffen werden. Formed Units dürfen Volley Fire abgeben. Europäische reguläre Truppen in Form-Formation haben bei der Moral einen wesentlichen Vorteil. So müssen sie erst nach Verlusten von mindestens 50% einen Courage Check machen. Und dies bis zu einer Verlustrate von 75% sogar mit dem vollen Courage-Wert (also ohne dem Malus bei Verlusten). Jedoch, wenn eine europäische Einheit (englisch oder französisch) einmal flieht ist sie kaum noch zu halten.

Loose - Diese ebenfalls zweireihige Formation wird vor allem von leichten Infantrie-Einheiten, sowie Rangers oder Militia-Units verwendet. Hier stehen die Figuren etwas entfernt von einander, jedoch müssen sie immer im Command-Radius befinden. Die Formation verfügt über einen 180 Grad Schußwinkel und kann ebenfalls Volley Fire abgeben, jedoch gibt es keinen - 2 Moral Modifier für die Zieleinheit. Loosed Formations müssen immer einen Moral Check nehmen, wenn sie beschossen werden. Ausnahme ist, wenn die angreifende Einheit eine Skirmish Unit (Trapper oder Indianer) ist.

Skirmish - Hier ist ein 360 Grad Schußwinkel gegeben. Die Figuren können hier in innerhalb des Command Radius in jeglicher Form (zb. Kreisformation) aufgestellt werden. Daraus ergibt sich, dass Skirmish-Units im Nahkampf nicht flankiert angegriffen werden können. Skirmish Formationen können nur auf ein Ziel feuern und dürfen keinen Volley abfeuern. Das Besondere an dieser Formation ist, dass sie durch kein Gelände, bis auf unpassierbares, in ihrer Bewegung behindert werden.

Szenarien
This Very Ground inkludiert einige sehr interessante Szenarien, die die Geschehnisse des Delaware Kriegs rund um den Indianerführer Teedyuscung zeigen. Wer will kann die Szenarien auch in der Reihenfolge als kleine Kampagne abhandeln. Interessant ist, dass in den Szenarien, die sich unter anderem auch sehr gut für M&T-Spiele eignen, weitere Optionen verstecken, wie zb. das Feuerlegen an Gebäuden, das Nehmen von Gefangenen, Ambushes, etc.

Am Ende des Regelheftes sind auf vier Seiten noch die Charakteristika der verschiedenen Einheitentypen und Fraktionen beschrieben. Auch hier bekommt man kompakt vermittelt, welche Fraktion wo welche Vor- bzw. Nachteile hat (zb. Indianer schießen nicht so gut, sind jedoch aufgrund ihres V-Wertes sehr gut im Nahkampf, etc.).

Conclusio
This Very Ground vereint grundsolide Mechanismen mit innovativen Features wie zb. die unterschiedlichen Feuer-Arten oder die interessante Smoke-Counter-Funktion, mit der man zusätzliche Ebenen in die taktischen Überlegungen bekommt. Wer mit der zufälligen Aktivierung durch Karten von M&T nicht klar kommt, bzw. der nicht will, dass pro Turn vielleicht sogar Einheiten gar nicht drankommen, der sollte sich This Very Ground mal näher ansehen. Figurenanzahlmäßig ist man wahrscheinlich bei This Very Ground am Anfang mit weniger Minis unterwegs. Gewöhnungsbedürftig ist vielleicht, dass man keine echte Armeelisten hat, die zb. wie bei M&T durch Punktekosten zusammensetzbar sind, sondern die Armeelisten pro Szenario zusammengestellt werden können - hier kann es auch sein, dass man ungleiche Armeegrößen hat. Für mich ist This Very Ground auf alle Fälle eine interessante Alternative zu M&T, die es lohnt ausprobiert zu werden.

Zusätzliche Regeln für Kavalerie, Artillerie und Boote
Iron Ivan Games Yahoo Group



3 Kommentare:

Moiterei_1984 hat gesagt…

Liest sich zumindest interessant, auch wenn ich bei "meinen" Regeln eigentlich immer auf einen hohen Eyecandy Faktor des Buches/ Heftes achte...
Danke jedenfalls für die ausführliche Vorstellung.

Alex Mayer hat gesagt…

@Moiterei_1984

Den eyecatcher faktor verstehe ich total. Das ist bei mir eigentlich ebenso. Dies war auch wohl der grund warum es so lange gedauert hat, bis ich mich dirchgerungen habe, die regeln zu lesen. Aber man lernt nie aus. Die regeln funktionieren auch in ihrem schlichten design ind aufmachung.

Stefan (aka. Monty) hat gesagt…

Das klingt nach einem wirklich interessanten Skirmish-System mit einem flotten Einstieg. Danke für den Bericht.

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